Homocystein: Eine toxische Aminosäure – Auswirkungen und Therapie (Teil 3)
Vitamin B12 gegen Homocystein
Vitamin B12 ist eine Gruppe von Verbindungen, die Kobalt enthalten. Man nennt dieses Vitamin deshalb auch Cobalamin. Seine klinischen Anwendungen beschränken sich hauptsächlich auf die Verwendung von Cyanocobalamin und Hydroxocobalamin. Vitamin B12 ist wie die anderen zwei B-Vitamine ein wasserlösliches Vitamin mit essentieller Bedeutung für verschiedene Stoffwechselprozesse.
So sehr der menschliche Körper Vitamin B12 für einen reibungslosen Stoffwechsel und die Gesundheit benötigt, so wenig ist er in der Lage, diese selbst herzustellen. Eine ausreichende Versorgung mit B12 ist essentiell, da wichtige Prozesse davon abhängen oder damit im Zusammenhang stehen. Die erfolgreiche Synthese von B12 basiert auf einem äußeren und einem inneren Faktor. Die externe Komponente, auch extrinsischer Faktor genannt, nimmt der Mensch über die Nahrung auf; der intrinsische Faktor, die innere Komponente, synthetisiert in Verbindung mit dem zugeführten Anteil im Verdauungstrakt das aktive Coenzym B12. Vom Grundsatz her ist dieses an zwei wesentlichen Stoffwechselprozessen auf Zellebene beteiligt, die bei wichtigen Funktionen eine Rolle spielen. Dazu gehören
- Energiegewinnung für körperliche, geistige und mentale Fitness
- Verdauungsförderung
- das Immunsystem stärken
- Schutz von Herz, Kreislauf und Hirn vor Homocystein u. v. a. m.
Vereinfacht dargestellt ist das Vitamin B12 an der Reproduktion der Zellen und des Blutes beteiligt und dient der Gesunderhaltung des Nervensystems.
Verschiedene Formen von Cobalamin
In der Medizin als Vitamin verwendet, wird Cyanocobalamin vom menschlichen Organismus in das biologisch wirksame Coenzym B12 umgewandelt. Weitere zur Vitamin-B12-Gruppe gehörende Cobalamine sind die Speicherformen
- Aquocobalamin bzw. Aquacobalamin (Vitamin B12a, die konjugierte Säure des Hydroxocobalamins),
- Hydroxocobalamin bzw. Hydroxycobalamin (Vitamin B12b) und
- Nitritocobalamin (Vitamin B12c)
sowie die eigentlich biologisch wirksamen Coenzym-Formen des Vitamins
- Methylcobalamin (Methyl B12, MeCbl) und das schon erwähnte
- Adenosylcobalamin (Coenzym B12b, AdoCbl, Extrinsic-Faktor).
Es gibt vermehrt Stimmen, dass die allgemein bei Vitaminen übliche Form (auch in unserem Homocystein-Komplex verwendet) des Cyanocobalamins weniger wirksam sein soll als die – oben erwähnte – Form des Methylcobalamin. Aber das ist derzeit ein Streit unter Gelehrten, ausreichende vergleichende Studien gibt es noch nicht.
Ein Vitamin B12-Mangel kann neurologische Schäden verursachen
Bei einem Vitamin B12-Mangel können Anämie oder neurologische Schäden auftreten. Cobalamine binden an einen intrinsischen Faktor, einem so genannten Glycoprotein aus der Magenschleimhaut, und werden danach aktiv vom Magen-Darm-Trakt aufgenommen. Fehlt dieser intrinsische Faktor, ist auch die Resorption von Vitamin B12 beeinträchtigt.
Der tägliche Bedarf an Vitamin B12
Der Tagesbedarf an B12 ist abhängig vom Lebensalter und der persönlichen Situation des Einzelnen. Bei Kindern fällt er geringer aus, hingegen benötigen z.B. Schwangere eine größere Menge B12. Mit 2-3 µg (Mikrogramm) für einen gesunden Erwachsenen ist der Tagesbedarf im Vergleich zu anderen Vitaminen gering. Das liegt zum einen an der hohen Wirksamkeit der Verbindung, zum anderen an der Leistungsfähigkeit der Leber. Sie speichert B12, um es dem Körper bei Bedarf zur Verfügung zu stellen.
Magen-Darm-Krankheiten und Medikamente beinträchtigen die Vitamin B12-Aufnahme
Dies geschieht zum Beispiel nach einer Magenentfernung (Gastrektomie) oder bei Magen-Darm-Erkrankungen wie Zöliakie, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Magengeschwüren und Infektionen mit Helicobacter pylori. Diese Patienten weisen oft Homocysteinwerte von über 40 (!) auf. Auch zahlreiche Medikamente können die Aufnahme von Vitamin B12 reduzieren, zum Beispiel Aminoglycoside, Aminosalicylsäure (gegen entzündliche Darmerkrankungen), Antikonvulsiva, Biguanide (gegen zu hohe Blutzuckerspiegel), Chloramphenicol, Cholestyramin, Cimetidin, Cilchizin, Kaliumsalze, Methyldopa und Lipidsenker. Auch die Einnahme von oralen Kontrazeptiva (die Anti-Baby-Pille) kann die Aufnahme stören.
Ein Vitamin B12-Mangel kann lange unbemerkt bleiben
Die Leber speichert das Vitamin B12. Dadurch kann ein B12-Mangel unter Umständen über mehrere Jahre hinweg unbemerkt bleiben. In erster Linie ist das Speichervermögen ein Vorteil. Bleibt die Versorgung mit dem Vitamin für einen gewissen Zeitraum aus, kann das Fehlen kompensiert werden. Die Gefahr auf der anderen Seite besteht im erst verzögerten Auftreten von Mangelerscheinungen. Sie manifestieren sich schleichend, wenn die Zufuhr des extrinsischen Faktors zu lange unterbrochen bleibt. Wird B12 nicht regelmäßig mit der Nahrung aufgenommen und sind die Speicher leer, führt das unter anderem zu
- Apathie und Stimmungsschwankungen
- allgemeinen Schwächegefühlen
- Verwirrtheit und Anzeichen von Demenz
- eingeschränkter Funktion des Nervensystems
Vitamin B12-Mangel und die Auswirkungen auf den Homocystein-Spiegel
Eine der gefährlichsten Folgen des Mangels an B12 ist der erhöhte Homocysteinspiegel im Blut. Die schwefelhaltige Verbindung wurde nach und nach als Zellgift identifiziert. Erhöhte Werte, die vor allem vermehrt ab dem 40. Lebensjahr auftreten, werden mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung gebracht. Homocystein greift die Blutgefäße an und ist dadurch mitverantwortlich für Arteriosklerose. Das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls steigt. Außerdem soll es maßgeblich an der Entwicklung von Depressionen und degenerativen Erkrankungen wie Altersdemenz beteiligt sein.
Vitamin B12 in der Nahrung – Für Vegetarier gibt es keine B12-Quellen
Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung, die alle Bestandteile enthält, ist auch für die Versorgung mit B12 wichtig. Vitamin B12 stammt ausschließlich aus tierischen Quellen:
- Fleisch
- Innereien, insbesondere Leber und Niere
- Milch, insbesondere fermentierte Milchprodukte wie Kefir und Joghurt
- Eier und Fisch
Veganer sind besonders von einem Vitamin B12-Mangel gefährdet
Da es in pflanzlichen Produkten nicht enthalten ist, rutschen Menschen mit strikter vegetarischer Kost leicht in einen Vitamin B12-Mangel. Bedauerlicherweise wissen viele Vegetarier und Veganer nicht, dass das Vitamin B12 aus Meeresalgen unterschiedlich zum B12 aus tierischen Quellen ist und daher einen Mangel nicht ausgleichen kann. Ihre einzige, aber nicht ausreichende Quelle für Vitamin B12 sind die Bakterien im distalen Dünndarm. Das hier gebildete Vitamin B12 tritt aber im menschlichen Organismus nur in sehr begrenzter Form ins Blut über.
Bei einer Studie über Veganer fand man einen kuriosen Sachverhalt: Bei europäischen Veganern war der Prozentsatz an perniziöser Anämie (bösartige Blutarmut) – der typischen B12-Mangel-Krankheit – weitaus höher als bei indischen Veganern. Die Vermutung, dass es etwas in der indischen Kost gab, was Vitamin B12 enthielt, bestätigte sich auf eine unerwartete Weise. Die indischen “rein veganischen” Mahlzeiten waren oft nicht so veganisch wie geplant. Es fanden sich immer auch einige Insekten darin, die ein gewisses Maß an tierischem Protein und damit auch an Vitamin B12 lieferten.
ln einer neueren Studie hatten Veganer einen um mehr als 50 % höheren Wert (15,8), Vegetarier einen 30 % höheren Wert (13,2) als die Gruppe, die auch tierisches Eiweiß verzehrte. Die Serumwerte von Vitamin B12 lagen durchschnittlich bei der Vergleichsgruppe bei 344,7 pmol/l, bei den Vegetariern bei 214,8 pmol/l und bei den Veganern bei 140,1 pmol/l. 78 % der Veganer und 26 % der Vegetarier gelten als Vitamin B12-mangelernährt.
Folsäure gegen Homocystein
Folsäure
wurde vor ungefähr 60 Jahren erstmals aus Spinatblättern isoliert. Der
Name leitet sich aus dem Blatt (Folium) ab. Folsäure (Folat) ist ein
wasserlösliches B-Vitamin und nimmt eine zentrale Rolle bei den
Ein-Kohlenstoff-Übertragungen ein.
Die Funktion der Folsäure im Körper
Folsäure ist unentbehrlich für die Zellteilung und die Neubildung von Zellen (DNA-Biosynthese). Diese komplex gebaute organische Säure ist lebensnotwendig, insbesondere für Zellen, die schnell reproduziert werden. Die Stoffwechselwege von Folsäure und Vitamin B12 sind eng miteinander verbunden und stellen beim Menschen das einzige derartige Beispiel zweier voneinander abhängigen Vitamine dar. Zusammen mit Vitamin B12 ist Folsäure zuständig für die Bildung von roten und weißen Blutkörperchen sowie für die Produktion der Blutplättchen, die wiederum für die Blutgerinnung und damit den “Wundverschluss” bei Verletzungen notwendig sind. Auch die Zellen der inneren Darmwand werden unter Mitwirkung von Folsäure gebildet. Ferner ist Folsäure sehr wichtig für die Synthese von Nukleinsäuren, welche die Basisinformation der Erbanlagen (DNS) enthalten.
Folsäure ist besonders für Schwangere wichtig
Welche Bedeutung Folsäure speziell für die Entwicklung neuen Lebens hat, ist in zahlreichen Beobachtungen schwangerer Frauen zu erkennen. Ein Mangel in der Schwangerschaft kann zu Missbildungen des Kindes führen. Deshalb ist in der Schwangerschaft eine Nahrungsergänzung mit Folsäure zusammen mit einer folsäurereichen Ernährung sowie eine genaue Kontrolle des Folsäuregehaltes dringend angeraten.
Die Bedeutung der Folsäure ist aber auch für Heranwachsende nicht zu unterschätzen, da der wachsende Organismus besonders viele Eiweißstoffe aufbaut und bei der Zellteilung genetische Informationen kopiert. Folsäure wirkt als Co-Enzym und damit als Katalysator bei vielen Reaktionen im Körper mit, das heißt, Folsäure muss zwar vorhanden sein, wird aber nicht “verbraucht”. Auch beim Aufbau von Phospholipiden im Nervensystem und bei der Bildung von Melatonin spielt die Folsäure eine wichtige Rolle, auch hier wieder gemeinsam mit dem Vitamin B12.
Folsäure hilft, Homocystein umzuwandeln
Folsäure ist auch am Abbau und an der Bildung verschiedener Aminosäuren beteiligt. Ein Beispiel dafür ist die Umwandlung der Aminosäure Homocystein in die essentielle Aminosäure Methionin. Wird zu wenig Folsäure zugeführt, ist der Abbau von Homocystein gestört und der Homocysteinspiegel im Plasma steigt an. Folsäuremangel ist auch für Veränderungen an bestimmten Genen – z. B. der Tetrahydrofolat-Dehydrogenase -verantwortlich. Dieses Gen sorgt für die Senkung des Homocysteinspiegels. Wenn dieses Enzym langsamer arbeitet, steigt das Homocystein im Blut an und die Epigenetik ist gestört.
Folsäure im Körper
Der Gesamtbestand an Folsäure im menschlichen Körper wird aufgrund von Studien mit markierter Folsäure auf ca. 20 – 70 mg geschätzt. Etwa die Hälfte davon wird in der Leber gespeichert. Ein geringer Teil wird mit der Galle ausgeschieden und dann aber fast vollständig rückresorbiert. Bei entzündlichen Darmerkrankungen findet diese Rückresorption nicht statt und es kommt zu Folsäureverlust. Die Reserven an Folsäure im Körper sind bei einer Halbwertszeit von 100 Tagen gering und reichen bei folsäurearmer Ernährung gerade mal drei bis vier Wochen bis zum deutlichen Abfall der Serumspiegel.
Aufnahme von Folsäure durch die tägliche Nahrung
Folsäure kommt in pflanzlichen und tierischen Organismen vor. Damit hätten wir, so denkt man, durch die Nahrungsaufnahme keine Schwierigkeiten, unseren täglichen Bedarf an Folsäure zu decken. Besonders gute Lieferanten sind pflanzliche Produkte wie
- grünes Blattgemüse
- Brokkoli
- Weizenkeime
- Hülsenfrüchte
- Vollkornprodukte
- Nüsse
Besonders reich an Folsäure bei tierischen Lebensmitteln sind
- Leber
- Fleisch im Allgemeinen (reich aber auch an Vitamin B12)
- Milch und Milchprodukte sowie
- Eidotter.
Folsäure liegt allerdings in der Nahrung zum Großteil in gebundener Form vor, welche vom Körper nur schlecht resorbiert werden kann, so dass letztendlich nur mehr 40% der Folsäure zur Verfügung stehen.