Entscheidung: Prozess gegen Vitamin-Arzt Rath eingestellt
Der umstrittene Mediziner muss 33.000 Euro an eine gemeinnützige Stiftung zahlen. Ihm war von der Hamburger Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, über eine Firma in den Niederlanden ohne arzneimittelrechtliche Zulassung Vitaminprodukte angeboten zu haben.
Von Michael Mielke
Hamburg – Ob die Wahl zufällig war oder vielleicht doch hintersinnig, wird der Hamburger Amtsrichter kaum verraten. Er wählte als Zahlungsziel für die gegen den Arzt Matthias Rath verhängte Geldauflage die Stiftung für das behinderte Kind. Auf deren Konto werden nun von Rath 33.000 Euro überwiesen. Im Gegenzug wurde das Verfahren gegen den 51-jährigen Mediziner eingestellt. Der Arzt habe auf einer Website „vielleicht zu offensiv geworben“, resümierte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Das Gericht erkenne jedoch an, dass Rath seinen kritisierten Internet-Auftritt bereits geändert habe. Es sei in dieser Verhandlung auch nicht der Eindruck entstanden, „dass es sich um Scharlatanerie handelt“, ergänzte der Richter.
Raths Anhänger feierten die Entscheidung wie einen Triumph, was bei anderen Prozessbeobachtern für Verwunderung sorgte. Letztlich hatte sich bereits am ersten Prozesstag, am 21. September, angedeutet, dass die Beweissituation auf diesem wissenschaftlichen Neuland äußerst problematisch ist. Und ebenso hatte sich gezeigt, dass Rath und dessen gut vorbereiteter Verteidiger das Gericht durchaus zu beeindrucken wussten.
Dem umstrittenen Arzt war von der Hamburger Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, über seine Firma in den Niederlanden ohne arzneimittelrechtliche Zulassung Vitaminprodukte zur direkten Online-Bestellung angeboten zu haben. Auch habe er diesen Mitteln therapeutische Wirkungen zugeschrieben, die sie gar nicht hätten. Ein weiterer Vorwurf betraf eine Internet-Seite mit einem Link zu der Seite „Informationen über natürliche Krebstherapie“. Rath, meinte die Anklagevertreterin, habe wider besseres Wissen vorgegaukelt, dass diese Produkte akute Krebserkrankungen heilen könnten.
Rath hatte dazu mit einer schriftlich vorbereiteten Erklärung Stellung genommen. Er war dabei gleich zu Beginn auf ein Schicksal eingegangen, das ihm in den Medien zu trauriger Berühmtheit verhalf: Den „Fall Dominik“, wie er es selber nannte. „Das Schicksal des Jungen und sein Sterben haben mich außerordentlich berührt“, hatte er mit brüchiger Stimme ausgeführt. „Ich kann aber sagen, dass ich für den Tod des Jungen keine Verantwortung trage.“
Dominik war 2002 als Siebenjähriger an Knochenkrebs erkrankt. Ihm musste ein Teil eines Beines amputiert werden. Doch der Krebs ließ sich nicht aufhalten. Im Juni 2003 hatten seine Eltern eine Chemotherapie abgebrochen und auf die von Rath propagierte Zellulartherapie gesetzt. Auch Rath schien an eine Heilung zu glauben. Er hatte Fotos von Dominik auf Werbeplakaten verarbeitet und das vermeintlich genesende Kind auf Bühnen präsentiert. Als Dominik im November 2004 starb, behauptete die Dr. Rath Health Foundation, Todesursache sei wohl ein Bluterguss im Brustraum gewesen. Eine Obduktion widerlegte das. Dominik, hieß es, sei an den „typischen Folgen einer Tumorerkrankung“ verstorben.
Mit dem Prozess vor dem Hamburger Amtsgericht hatte dieser von Rath selbst erwähnte Fall jedoch nichts zu tun. Hier ging es vor allem darum, ob Rath mit seinen Vitaminprodukten Heilung versprach. Er selbst sagte dazu: „Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, ich würde behaupten, unsere Vitaminprodukte wären in der Lage, Krebserkrankungen sicher zu heilen, ist falsch. Er behaupte lediglich, „dass bestimmte natürlich Wirkstoffe, wie sie in unseren Vitaminprodukten, aber auch in einer Vielzahl anderer Produkte enthalten sind, grundsätzlich in der Lage sind, das Wachstum von Krebszellen zu hemmen und Krebszellen abzutöten“.
Dieser These, die so allgemein wohl auch immer richtig ist, vermochte der Direktor des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte keine beweisrelevanten Argumente entgegenzusetzen. Ein Biochemiker der Hamburger Universität ergänzte, dass er nicht ausschließe, dass pflanzliche Kombinationsprodukte wie die von Rath funktionieren könnten. Noch lägen aber keine entsprechenden Studien vor. Es handele sich bislang lediglich um Mittel zur Optimierung der Physiologie eines Patienten.
Artikel erschienen am 10.10.2006 – WELT.de 1995 – 2006