Selbstbewusste Patienten leben länger

In Forschung, Information und Lehre, weitgehend von Pharma- oder Geräte-Industrie finanziert, fügt ein Berufsstand, dessen Funktionäre die Selbstachtung verloren haben, dem Volk unermesslichen Schaden zu.

Von Dr. med. Vernon Coleman

Wieder einmal analysiert der kritische Mediziner die trostlose Gegenwart des alltäglichen Medizingeschehens in Praxis, Klinik und Universität. In Forschung, Information und Lehre, weitgehend von Pharma- oder Geräte-Industrie finanziert, fügt ein Berufsstand, dessen Funktionäre die Selbstachtung verloren haben, dem Volk unermesslichen Schaden zu. Und dieser Berufsstand genießt auch noch gesellschaftlich hohes Ansehen! Da wird es – so der Autor – allerhöchste Zeit, dass sich wenigstens die Patienten darüber klar werden, dass nichts für sie ungesünder ist, als daran zu glauben, dass es sich bei der heutigen Medizin um eine Wissenschaft handelt. Es wird höchste Zeit, sie darüber aufzuklären, wie trostlos dieser Ärztestand geworden ist, wie weit er sich selbst vor der Pharmaindustrie erniedrigt hat. Der nächste Schritt ist, den Ärzten die Augen darüber zu öffnen, dass sie als Dealer missbraucht werden und dass sie beginnen müssen, selbständig zu denken und zu handeln, und zwar schon an der Uni. Hier ist Colemans treffendes Porträt der Medizin-Welt von heute:

Porträt der Medizin-Welt von heute

Als ich das erste Mal im Jahr 1973 über die Unterwürfigkeit der Ärzteschaft gegenüber der Pharmaindustrie geschrieben habe, vertrat ich die Ansicht, dass wir um gesetzliche Maßnahmen nicht herumkommen, wenn es weder der Ärzteschaft noch der Pharmaindustrie gelingen sollte, die sich damals anbahnenden Probleme in den Griff zu bekommen. Inzwischen sind wir an dem Punkt angekommen, an dem gesetzliche Maßnahmen die einzige Lösung darstellen. Und diese Maßnahmen müssen nun rasch eingeführt werden. Wenn diese gesetzlichen Maßnahmen durchgreifend genug sind, um einen praktischen Erfolg zu zeitigen, dann werden sie auch so durchgreifend sein, dass sie weder von der Industrie noch von der Ärzteschaft gutgeheißen werden. Umgekehrt können wir davon ausgehen, dass jegliches Einverständnis und Unterstützung für diese Maßnahmen lediglich als Zeichen ihrer Unwirksamkeit zu werten wären.

85 % der Therapien sind unwissenschaftlich

Zum einen müssen wir ganz eindeutig über bessere Möglichkeiten verfügen, um alle medizinischen Therapien und Verfahren bewerten zu können. Es ist schlichtweg absurd, wenn sogar die Schulmedizin zugibt, dass 85 von 100 Therapien nicht ausreichend belegt und wissenschaftlich untermauert sind. So verwunderlich dies auch erscheinen mag, so heißt es nichts anderes, als dass der Arzt in der Mehrzahl der Fälle, in denen ein Medikament verordnet oder eine Operation empfohlen wird, in Wirklichkeit nichts über den Ausgang dieser Maßnahmen weiß. Er hofft natürlich auf eine Besserung, die ja aufgrund des Placebo-Effekts in vielen Fällen auch tatsächlich eintritt.

Die Medizin ist immer eine relativ ungenaue Wissenschaft gewesen. Dies muss jedoch nicht als unabwendbar hingenommen werden, zumindest nicht das heutige Ausmaß von Ungenauigkeit. Die Entscheidung darüber, wie unsere begrenzten Mittel und Ressourcen auszugeben sind, sollte nicht gänzlich einer Mischung aus irrationalen ärztlichen Vorurteilen und kommerziellen Überlegungen überlassen werden.

Jahrzehntelang konnten sich Ärzte und Pharmaunternehmen aufgrund des Placebo-Effekts mit vielen, praktisch wertlosen (oder gar nebenwirkungsträchtigen) Behandlungsverfahren durchmogeln. Eine kritische Überprüfung aller verfügbaren Behandlungsverfahren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Risiken war jedoch noch nie so dringlich wie heute.

Anstelle von Versuchsergebnissen, die an einigen wenigen Hundert oder Tausenden Patienten gewonnen wurden, brauchen wir kontinuierliche Versuche, die Zehn- oder Hunderttausende von Patienten umfassen. Die Wirkungen und erzielten Ergebnisse von Arzneimitteln und chirurgischen Verfahren sollten auch retrospektiven Bewertungen unterzogen werden.

Unsere Ärzte sollten sich der Tatsache bewusster werden, dass negative Informationen, etwa über die Wirkungslosigkeit eines Mittels, genauso wichtig sein können wie die positiven Informationen über dessen Nutzen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden nur sehr wenige Untersuchungen mit negativen Ergebnissen veröffentlicht (wir wissen natürlich nicht, wie viele Berichte dieser Art bei den medizinischen Fachzeitschriften eingehen und nicht zum Abdruck gelangen).

Solange wir mit der Überprüfung neuer Medikamente und therapeutischer Verfahren befasst sind, könnte uns ein Moratorium über neue Entwicklungen nur guttun. In Wirklichkeit brauchen wir keine neuen Wundermedikamente. Unsere Bibliotheken quellen bereits über mit Informationen, die wir gar nicht effizient verwerten können. Den Patienten würde es weitaus mehr nützen, wenn wir lernen würden, das verfügbare Instrumentarium an Medikamenten optimal einzusetzen, anstatt fortwährend nach möglichst spektakulären „wissenschaftlichen Durchbrüchen“ zu streben. Wir sollten die Zeit und das Geld, die für die Einführung neuer Arzneimittel aufgebracht werden, lieber in eine gründliche und kritische Erforschung aller bestehenden Medikamente investieren. Es ist einfach absurd, dass unsere Ärzte eine große Anzahl von Medikamenten immer weiter verordnen dürfen, ohne eine wirkliche Vorstellung von den eigentlichen Auswirkungen und Folgen zu haben.

Medikamente reduzieren

Wir sollten über einen einfachen, jedoch wirkungsvollen Anreiz verfügen, der uns die Kooperation der Arzneimittelhersteller sichert: alle Medikamente, die weder einen vernünftigen Wirkungsgrad noch ausreichende Verträglichkeit bieten, werden schlicht und einfach aus dem Verkehr gezogen. Vor bereits geraumer Zeit hat die Weltgesundheitsorganisation eine Liste von 200 unverzichtbaren Arzneimitteln aufgestellt. Meiner Ansicht nach ist es unmöglich, dass unsere Ärzte eine Wahl aus über 30.000 verfügbaren pharmazeutischen Erzeugnissen treffen müssen. Je grösser die Anzahl der verfügbaren Pharmazeutika ist, desto grösser muss doch das Risiko von Verwechslungen, Pannen und Missbrauch sein.

Der Zugang zu Informationen über bestehende Arzneimittel sollte sich sehr einfach gestalten. Mit den heute verfügbaren Computer- und Informationstechnologien können Behörden in unterschiedlichen Ländern einen entsprechenden Austausch pflegen, Ergebnisse vergleichen, und sich rasch über den Wert von Arzneimitteln verständigen. Schließlich sind die wichtigsten Arzneimittelhersteller weltumspannende Unternehmen, so dass Patienten in Paris, Frankreich, dieselben Verordnungen aus der Sprechstunde nach Hause tragen wie in Paris, Texas.

Unsere gegenwärtigen Systeme gestatten keinen internationalen Informationsfluss. Es ist doch nicht hinzunehmen, dass Ärzte in einem Land nichts erfahren, wenn Ärzte in einem anderen Land Probleme mit einem häufig verordneten Medikament beobachtet haben. Alle Ärzte sollten über Computer verfügen, mit denen sie über ein internationales Informationsnetzwerk kommunizieren und sich informieren können. Ein Arzt sollte im Augenblick der Verordnung alles über mögliche Komplikationen und Nebenwirkungen abrufen können. (Es wäre in der Tat nicht schwierig, Computersysteme so zu programmieren, dass Ärzte vor spezifischen Kontraindikationen oder möglichen Wechselwirkungen gewarnt werden können. Der Arzt würde den Namen des Patienten eingeben sowie die Diagnose und das beabsichtigte therapeutische Vorgehen und bekäme eine sofortige Bewertung der Erfolgschancen.)

Zusätzlich sollten Medikamente gegenüber dem Placebo-Effekt untersucht werden. Arzneimittel, die keine signifikanten Wirkungen gegenüber Placebos zeigen, sollten sofort aus dem Verkehr gezogen werden, ebenso wie Mittel, die mehr Nebenwirkungen verursachen als ihre jeweiligen Konkurrenzpräparate, rigoros vom Markt verschwinden sollten.

Mit Hilfe der Computertechnologie wäre es ein leichtes, verschiedene Medikamente in denselben Kategorien zu vergleichen. Schließlich gibt es keine praktischen Gründe, die für das üppige Angebot vieler verschiedener Medikamente gegen Magengeschwüre oder die Vielzahl der verfügbaren Beta-Blocker sprechen.

Unabhängige Gutachter Voraussetzung

Als Voraussetzung für ein solches System benötigen wir ein wirklich unabhängiges Gremium von internationalen Sachverständigen und Prüfern. Diese Personen müssen völlig unabhängig von der Pharmaindustrie und der Ärzteschaft agieren. Dieses Gremium sollte mit unabhängigen Statistikern, klinischen Pharmakologen, Klinikern, »professionellen Skeptikern« und Ikonoklasten (Bildstürmern) besetzt sein, die am besten ständig in unregelmäßigen Abständen ausgewechselt werden. Personen mit Verbindungen zu Arzneimittelunternehmen sollten nicht als Sachverständige arbeiten dürfen.

Diese Experten sollten für ihre Arbeit gut bezahlt, jedoch beim leisesten Verdacht von Fehlverhalten sofort gefeuert werden. Dieses Gremium würde den sogenannten »unverzichtbaren« Medikamenten, wie jene auf der WHO-Liste, eine Art von internationaler Super-Lizenz erteilen. Tierversuche jeglicher Art wären aus wissenschaftlichen und medizinischen Gründen, wie auch aus moralischen und ethischen Gründen strikt zu verbieten.

Wir brauchen wirklich keine Hunderte von Antibiotika, Anti-Baby-Pillen oder Hunderte von Eisenpräparaten. Was wir brauchen, sind ganz einfach die jeweils besten Medikamente. Ein wesentlicher Teil der Arbeit des Gremiums besteht in der Abschätzung des Risiko-Nutzenverhältnisses von Medikamenten bei der Behandlung spezifischer Störungen. Die Überprüfung und Bewertung von Arzneimitteln sollte ein kontinuierlicher, fortlaufender Prozess sein.

Wir brauchen keine Medikamente für Grippeerkrankungen, die Blutkrebs verursachen können, oder Mittel für arthritische Schmerzen, die gleichzeitig auch Magengeschwüre auslösen. Wenn die Risiken bestimmter Behandlungen ausreichend untersucht worden sind, sollten auch Patienten darüber aufgeklärt werden. Es ist unverständlich, dass Arzneimittel, für die es bereits effektivere Alternativen gibt, in vielen Ländern immer noch die entsprechenden Zulassungsgenehmigungen erhalten. Veraltete, überholte Medikamente sollten sofort aus den Listen der verschreibbaren Präparate gestrichen werden.

Nachdem die besten Medikamente feststehen und die Super-Lizenzen vergeben worden sind, wäre es den Pharmaherstellern gestattet, die besten Versionen herzustellen und zu vertreiben, unter der Voraussetzung, dass die Herstellungsverfahren strengen Kriterien genügen. In Fällen von übermäßig großer Konkurrenz könnte man Ausschreibungsverfahren für die Lizenzen einrichten. Arzneimittelherstellern mit Super-Lizenzen wäre es untersagt, aktive Kontakte zur Ärzteschaft zu knüpfen. Die Heerscharen von Vertretern könnten entlassen, die Marketingabteilungen geschlossen und jegliche Werbung eingestellt werden. Zuwiderhandlungen würden mit dem Entzug der Lizenzen geahndet werden.

Die Begeisterung der Pharmahersteller für die Entwicklung neuer Medikamente könnte man in Zukunft dadurch aufrechterhalten, dass Firmen, deren patentierte Präparate in die Super-Lizenzliste aufgenommen werden, einen Anspruch auf Lizenzeinkünfte erhalten. So würde sich die Pharmaindustrie wenigstens wieder ehrlich durchbringen, anstatt als unmoralische und unethische Goldgrube herzuhalten.

Chirurgische Praxis überprüfen

Als nächsten Schritt sollten wir alle nicht-medikamentösen Verfahren einer kritischen Bewertung unterziehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die meisten chirurgischen Verfahren meilenweit davon entfernt. Die Kriterien für die Durchführung von Operationen haben oft mehr mit Vorurteilen, Laune und Aberglauben als mit echter Wissenschaft zu tun. Durch eine kritische Bewertung der chirurgischen Praxis müsste sich die Zahl derer, die ihre Eingriffe auch überleben, drastisch erhöhen lassen.

Wir könnten viel von einem internationalen Regelwerk profitieren, das die Veröffentlichung von detaillierten Richtlinien über empfohlene Therapien für spezifische Zustände vorschreibt. Diese Richtlinien sollten veröffentlicht und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so dass sie den Patienten ebenfalls zur Verfügung stehen.

In der Medizin gibt es keinen Platz für Geheimniskrämerei. Die einzigen Personen, die hiervon profitieren, sind jene Ärzte, die ihre Inkompetenz dahinter verbergen. Jeder Patient hat das Recht auf volle Aufklärung über die Risiken und Nutzen, die mit den heutigen Behandlungsverfahren einhergehen. Jeder Patient sollte genau über die Folgen einer bestimmten Behandlung oder auch deren Unterlassung informiert werden. Der Patient darf nicht von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden.

Ein Klima der Offenheit ist ebenfalls wichtig in unserer heutigen Zeit, in der die Grenzen des finanziell Möglichen sich weltweit immer deutlicher abzeichnen. Natürlich könnte in jedem Land dieser Erde mühelos das gesamte Bruttosozialprodukt in Herztransplantationen investiert werden, aber wer wollte so mit unseren begrenzten Ressourcen haushalten? Wir müssen wählen und Prioritäten setzen, und auch hier sollten die oft so passiven Patienten mitdenken und mitentscheiden.

Da es der Ärzteschaft offensichtlich nicht gelingen will, die Unabhängigkeit und die Integrität ihres Berufsstandes zu wahren, muss diese Unabhängigkeit und Integrität eben von außen hereingetragen werden.

Jeder Arzt sollte vor folgende Wahl gestellt werden: entweder im Dienste der Patienten zu stehen und für seine ärztliche Kunst von den Patienten (oder deren Vertretern wie Versicherungsgesellschaften oder öffentlichen Einrichtungen) bezahlt zu werden, oder in den Dienst der Pharmaindustrie zu treten. Jeder Arzt, der sich für den ersten Weg entscheidet, sollte wissen, dass er seine Lizenz auf Lebenszeit verliert, wenn er auch nur mehr als eine kostenlose Broschüre von einem Pharmavertreter annimmt. Ärzte, die bei Arzneimittelherstellern in Brot und Lohn stehen, dürfen ohne gründliche Umschulung nicht in die medizinische Praxis zurückkehren.

Medizinische Fachzeitschriften, die ohne satte Werbeetats der Pharmahersteller nicht lebensfähig sind, sollten über Nacht geschlossen werden. Organisationen, die mit der Vertretung oder Ausbildung von Ärzten befasst sind, sollten keinerlei Zuwendungen oder Unterstützung von der pharmazeutischen Industrie erhalten.

Finanzielle oder andere Zuwendungen von Arzneimittelherstellern an Ärzte, entsprechende Organisationen oder medizinische Fachzeitschriften sollten mit dem Entzug von Super-Lizenzen oder Herstellungslizenzen geahndet werden. Ärzte müssen unmissverständlich angewiesen werden, stets für die beste verfügbare Behandlung ihrer Patienten zu sorgen. Bei der Verordnung oder Durchführung von Behandlungsverfahren, die nicht als ausreichend sicher und effektiv gelten, droht der Verlust der Zulassung. Ärztliche Verordnungen sollten sich auf ein begrenztes, überschaubares medikamentöses Instrumentarium stützen.

In gleicher Weise sollten Chirurgen für die Durchführung nicht anerkannter Methoden und Techniken bei spezifischen Störungen oder Symptomen mit dem Verlust ihrer Zulassung haften, wenn Patienten sterben, Beeinträchtigungen oder Schäden erleiden oder berechtigten Grund zur Klage haben.

Ärzte oder Chirurgen, die neue Techniken oder Medikamente einsetzen wollen, sollten dies nur dann tun dürfen, wenn die anerkannten Mittel und Verfahren erfolglos angewandt worden sind. Dabei ist die volle Mitarbeit und das Einverständnis des Patienten in jedem Fall die Voraussetzung.

Als letzte Kontrollinstanz, um jene inkompetenten oder nachlässigen Vertreter des Ärzteberufes auszusieben, sollten vergleichende Kontrollen unter gleichgestellten Kollegen eingeführt werden. Ärzte oder Chirurgen mit überdurchschnittlichen Morbiditäts- oder Sterblichkeitsraten sollten vorübergehend aus der praktischen Arbeit ausscheiden und sich Schulungsmaßnahmen unterziehen, um nach erneuter Prüfung wieder ihre praktische Arbeit aufzunehmen.

Weiterbildung endet mit der Zulassung

Alle Ärzte und Chirurgen sollten an jährlichen Kursen zur Auffrischung wichtiger Kenntnisse teilnehmen. Einer der absurdesten Aspekte des gegenwärtigen Systems ist die Tatsache, dass der Prozess des Lernens, der Aneignung von Wissen, bei der Mehrzahl der Ärzte in den meisten Ländern dieser Erde mit der Erlangung ihrer Zulassung ein abruptes Ende nimmt. Der durchschnittliche praktische Arzt bezieht den Großteil seiner Informationen von Arzneimittelherstellern und verbringt weniger als vier Stunden im Jahr mit Weiterbildungskursen. Ärzte sollten eigentlich jährlich auf die Aktualität ihres Wissensstandes überprüft werden. Schließlich werden Piloten ebenfalls in regelmäßigen Abständen überprüft und jedes im Straßenverkehr zugelassene Auto muss eine entsprechende TÜV-Plakette tragen. Warum erwarten wir nicht von unseren Chirurgen, dass sie etwas für die Aktualisierung ihrer Kenntnisse tun und darüber einen Nachweis erbringen müssen? Ältere Ärzte, deren Wissensstand und Kenntnisse schon weit »über dem Verfallsdatum« sind, sollten keine Zulassung mehr erhalten.

Man muss sich die ungeheure Machtposition der Ärzteschaft vergegenwärtigen. Es gibt wohl kaum eine andere Gruppe in unserer Gesellschaft, die so unermessliche Schäden anrichten kann. Mit der Approbation erlangt der Arzt praktisch die Zulassung für das ganze Leben, aber Hand aufs Herz, wer von uns würde freiwillig in ein Flugzeug steigen, dessen Pilot vor fünfzig Jahren seinen Flugschein erworben und seitdem nichts für die Weiterschulung getan hat?

Jeder Arzt sollte sich einige sehr ernste Fragen stellen. Ist diese Untersuchung wirklich erforderlich? Welche Auswirkungen wird sie auf meine Behandlung des Patienten haben? Ist der therapeutische Nutzen einer Behandlung mit den damit verbundenen Risiken zu vertreten? Sollte ich eingreifen, oder ist es besser, vorerst nichts zu tun? Welche sind die wichtigsten Prioritäten und Risiken des jeweiligen Falls? Was würde ich tun (oder veranlassen), wenn es sich um einen geliebten Menschen handeln würde?

Ärzte müssen zur Rechenschaft gezogen werden und Patienten eine angemessene Entschädigung erhalten können, wenn es zu Kunstfehlern, iatrogenen Schäden oder sonstigen verschuldeten Beeinträchtigungen gekommen ist.

Problematische Entschädigung bei »Kunstfehlern«

Unser gegenwärtiges Entschädigungssystem hat weitaus mehr mit einer Lotterie als mit einer gerechten Rechtsprechung zu tun. Die einzigen, die immer gewinnen, sind die Anwälte. Hat ein Patient durch die Einnahme eines verordneten Medikaments einen Schaden erlitten, kann er Klage erheben – aber gegen wen? Versucht der Geschädigte den Arzneimittelhersteller zu verklagen, werden seine Rechtsberater sicher auf die geringen Erfolgschancen hinweisen, denn die gegenwärtigen Spielregeln laufen auf eine massive Begünstigung der Pharmahersteller hinaus.

Um eine Klage erfolgreich gegen einen Arzneimittelhersteller durchzubringen, muss der geschädigte Patient nachweisen, dass das eingenommene Medikament in irgendeiner Weise mangelhaft oder bedenklich ist, und dass der erlittene Schaden auf eben diesen Mangel des Medikamentes zurückzuführen ist (und nicht auf ein anderes Medikament oder gar auf bestimmte Nahrungs- oder Genussmittel). Ferner muss der Kläger belegen, dass die Einnahme des Medikamentes nach den Vorschriften des Herstellers erfolgte, unter Berücksichtigung etwaiger besonderer Warnungen und Hinweise, und dass die Wirkungen von allen möglichen Störfaktoren wie Kaffee, Alkohol oder bestimmten Nahrungsmitteln ausgeschlossen werden können.

Der Kläger muss dann noch beweisen, dass die Herstellerfirma wusste oder hätte wissen müssen, dass das betreffende Mittel die spezifischen Schäden verursacht oder verursachen könnte.

Die Arzneimittelfirma wird wahrscheinlich zunächst versuchen, die Schäden des Klägers grundsätzlich in Frage zu stellen. Als nächstes kann der Hersteller argumentieren, dass man nach dem Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Entwicklung des Medikaments nicht auf den behaupteten Mangel hätte schließen können. Der Kläger wird dann häufig als ein unglücklicher Einzelfall dargestellt. Es gibt fast in jedem Fall Anhaltspunkte für die Argumentation, die betreffenden Schäden könnten durch eine Vielzahl anderer Faktoren und Einflüsse verursacht worden sein. (Führen die Anwälte des Klägers die Ergebnisse von Tierversuchen an, um ihren Standpunkt zu untermauern, werden die Angeklagten mit Sicherheit geltend machen, dass die Ergebnisse von Tierversuchen nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden können und von daher nicht aussagekräftig sind. Dies entbehrt natürlich nicht einer feinen Ironie.)

Außerdem wird sich der Arzneimittelhersteller Zeit lassen und seine Anwälte dazu anhalten, den Fall so weit wie möglich in die Länge zu ziehen. Solche Prozesse haben schon bis zu zwanzig Jahre lang gedauert. Die Konzerne und ihre Anwälte wissen, dass ein Kläger durch diese Verzögerungstaktik oft dazu gebracht werden kann, ein Verfahren einstellen zu lassen oder sich mit einer kleinen Entschädigung zu begnügen (derartige Vereinbarungen enthalten für gewöhnlich jene »bewahren Sie Stillschweigen«- und »wir übernehmen keine Haftung«-Klauseln). Je länger ein solcher Prozess dauert, umso länger wird auch die Rechnung des Anwalts – auf diese Weise können auch Gewinner zu Verlierern werden, wenn man die gesamten Kosten in Betracht zieht. Im Durchschnitt dauert es ganze vier Jahre, bis über eine Klage auf Schadensersatz wegen fahrlässigen Handelns eines Arztes entschieden wird. So ist es kaum mehr verwunderlich, dass kaum ein Pharmakonzern einen Prozess verliert.

Wenn der Patient versucht, die Regierung oder die Behörde wegen Fahrlässigkeit zu verklagen, die das jeweilige Medikament zugelassen hat, so hat er es noch viel schwerer. Bürokratie und Schulmedizin treten ihm als geballte Macht entgegen. Wieder werden die Kosten astronomische Höhen erreichen, da die Regierung und ihre Vertreter jeden erdenklichen Preis zahlen werden, um den Beweis für ihre Unschuld erbringen zu können. Sowohl den Regierungen als auch den Pharmakonzernen ist nur allzu bewusst, dass ein verlorener Fall ein Präzedenzfall mit für sie kostspieligen Folgen sein könnte.

Nur der Arzt kann verklagt werden

Verklagt werden kann also nur der Arzt. Doch selbst hier bewegt sich der Kläger auf unsicherem Terrain. Die überwältigende Mehrzahl von praktizierenden Ärzten zahlt regelmäßig ihre Versicherungsbeiträge, um sich gegen dieses Risiko abzusichern. Selbst ein gewöhnlicher praktischer Arzt oder ein Facharzt am Krankenhaus genießen so vollen Rechtsschutz. Die alarmierendste Tatsache ist jedoch folgende: Die Patienten können zwar erwarten, dass Ärzte Zugang zu objektiven medizinischen Informationen über Medikamente haben und diese Informationen auch nutzen, wenn sie ein Rezept ausstellen. Dem Gesetz nach kann einem Arzt jedoch anscheinend nicht der Prozess gemacht werden, wenn er nachweisen kann, dass er ein Medikament gemäß den Anweisungen des Herstellers verschrieben hat. Das Gesetz sieht in einem Arzt folglich nicht mehr als den verlängerten Arm oder effektiv einen Angestellten des Pharmakonzerns, dessen Produkte er verschreibt.

Es ist doch absurd: Die Mehrheit der Ärzte praktiziert auf eine bestimmte Art und Weise, und selbst wenn ihr Vorgehen wissenschaftlich in keinster Weise vertretbar ist, so wird es doch rechtlich akzeptiert. So haben die meisten Ärzte auf der ganzen Welt viele Jahre lang hemmungslos Unmengen von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten verschrieben. Vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet hatte es überhaupt keinen Sinn, einen Arzt wegen des Verschreibens zu vieler Medikamente zu verklagen, da er ja »das Richtige« tat. Es wäre wahrscheinlich durchaus erfolgversprechender, einen Arzt zu verklagen, dass er zu wenige Beruhigungsmittel verschrieb. In dem Fall könnte der Arzt nämlich nicht zu seiner Verteidigung vorbringen, dass er sich schließlich an eine medizinische »Standard«-Vorgehensweise gehalten habe.

In einigen Ländern gibt es bereits Entschädigungsregelungen, die Patienten zu Gute kommen sollen, die durch ärztliche Hand leiden mussten. Andere Länder widersetzen sich der Einführung solcher Regelungen mit bewundernswerter Standhaftigkeit. In Großbritannien z. B. wurden mittlerweile drei verschiedene Gesetzesvorschläge eingereicht, um rechtlich gewährleisten zu können, dass geschädigte Patienten eine Entschädigung erhalten. Alle drei Gesetzesvorschläge wurden von der Regierung abgelehnt. Ungerecht ist dies vor allem aus dem Grund, dass Personen zu Schaden kommen können, weil bei Entscheidungen über die Zulassung von Medikamenten und Impfstoffen eher ganze Bevölkerungen als Individuen in Betracht gezogen werden. Wenn ein Arzt beschlossen hat, die Gesellschaft vor den Einzelnen zu stellen und ein Patient zum Wohle der Gesellschaft gelitten hat, so wird er dennoch um sein Recht kämpfen müssen und mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern.

Es steht nun einmal fest, dass medizinische Behandlungen manchmal fehlschlagen. Genau deshalb haben Patienten auch ein Anrecht auf Entschädigung, wenn sie leiden mussten. Patienten besuchen einen Arzt, damit es ihnen hinterher besser geht. Geht es ihnen dagegen schlechter, so haben sie allen Grund, sich zu beschweren. Jedes einzuführende Entschädigungssystem muss der Mitwirkung von Anwälten einen Riegel vorschieben, um eine gerechte Lösung darstellen zu können. Finanziert werden könnte ein solches System leicht dadurch, dass man Ärzten und Pharmakonzernen eine besondere Steuer auferlegt.

Es gibt übrigens noch ein letztes Argument dafür, ein angemessenes Entschädigungssystem für alle Patienten einzuführen. Zurzeit behaupten viele Ärzte, dass sie ihre Patienten lieber zu häufig untersuchen und »überbehandeln«, als eine Klage wegen unterlassenen Untersuchungen und mangelnder »therapeutischer Sorgfalt« zu riskieren.

Wenn man die Mitwirkung von Anwälten bei Rechtsstreitigkeiten wegen entsprechender Entschädigungen unterbinden könnte, fänden Ärzte vielleicht den Mut, ihrem Beruf auf bewusstere und vernünftigere Art und Weise nachzugehen.

Die Ausbildung muss verbessert werden

Die medizinische Ausbildung muss weltweit verbessert werden. Tausenden von Ärzten steht es heutzutage frei, von einem Land in das andere zu reisen und nahezu uneingeschränkt dort zu arbeiten, wo sie gerne praktizieren möchten. Wenn Patienten hinreichend geschützt werden sollen, muss jedes Land das Ausbildungsniveau an seinen medizinischen Fakultäten kontrollieren. Zur Zeit deuten viele Zeichen darauf hin, dass sich an medizinischen Fakultäten viele Verbesserungsansätze anbieten – diese reichen von den Zulassungskriterien für Studenten bis hin zu den Unterrichtsmethoden. Zu oft macht es den Anschein, als sei ein Teil des an diesen Fakultäten tätigen Personals mehr an seinen Praxen, der eigenen esoterischen Forschungsarbeit und den stattlichen Finanzhilfen der Pharmakonzerne interessiert als daran, neue Ärzte auszubilden. Einige scheinen nur deshalb an den Hunderten von medizinischen Fakultäten dieser Welt zu arbeiten, weil sie zu inkompetent sind, um sich auch »draußen« durchzusetzen.

In einer medizinischen Fakultät wurde neulich ein Drittel der Lehrstühle ohne jede Stellenausschreibung besetzt – entscheidend für die Wahl der Kandidaten war einzig und allein ihr Leumund. An einer anderen Fakultät war ein Computerprogramm für die Auswahl von Bewerbern für ein Vorstellungsgespräch absichtlich so manipuliert worden, dass Studenten, die einer ethnischen Minderheit angehörten, benachteiligt wurden. Es ist kaum verwunderlich, dass die Art und Weise, in der Ärzte ihre Patienten behandeln, oftmals deutlich von Vorurteilen geprägt ist.

Wenn Studenten einmal ausgewählt wurden, so wird ihnen in zu vielen Fällen das Wissen einfach blindlings eingehämmert. Entsprechend erwartet man von ihnen ein mechanisches »Herunterleiern« des Stoffes, statt ihnen beizubringen, wie man wirklich lernt oder wie man Informationen hinterfragt. Dies muss zwangsläufig zu einer Tragödie führen, da innerhalb von ein paar Jahren nach Abschluss seiner Ausbildung das Wissen eines neuen Arztes überholt sein wird. Wie soll er aber in der Lage sein, die Informationen zu analysieren, die er sammeln muss, um auf dem laufenden zu bleiben? Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Ärzte blind die Medikamente verschreiben, die ihnen von den Vertretern der Pharmakonzerne empfohlen werden, und es versetzt einen ebenso wenig in Erstaunen, dass kaum ein Arzt nach Studienabschluss jemals einen von unabhängiger Stelle organisierten Fortbildungskurs besucht.

Die meisten Ärzte wissen nicht, wie sie neue Informationen bewerten oder sie sich aneignen sollen, daher versuchen sie es auch erst gar nicht, sondern lassen sich von den Pharmakonzernen erzählen, was sie zu tun und zu lassen haben. »Skepsis« sollte für alle Medizinstudenten Pflichtfach werden. Ein Zyniker könnte vielleicht argumentieren, dass die Pharmakonzerne einen großen Einfluss auf die medizinischen Fakultäten haben (immerhin werden viele Abteilungen von Fakultäten ganz oder teilweise von Pharmakonzernen finanziert), und dass diese meist wenig überzeugenden Ausbildungsmethoden bewusst geplant sind.

Zudem ist es dringend notwendig, die medizinische Ausbildung dahingehend neu zu organisieren, dass Studenten besser auf die Arbeit als niedergelassene Ärzte vorbereitet werden. Zur Zeit finden 90 % aller Kontakte von Arzt und Patient außerhalb der Krankenhäuser statt, dennoch wird der größte Teil des in das Gesundheitswesen investierten Geldes in Krankenhäusern ausgegeben, wo man den Studenten oft einredet, die Krankenhausmedizin sei der medizinischen Praxis niedergelassener Ärzte überlegen. Dadurch wird auf ungesunde Art und Weise die Krankheit als solche betont, statt den Menschen in den Vordergrund zu stellen.

Der Nimbus des Arztes

Als die Ärzte noch nicht auf starke Medikamente zurückgreifen konnten, verließen sie sich sehr auf den geheimnisvollen Nimbus, der sie als Arzt umgab. Das Mystische und die Zauberei, die man lange mit der Ausübung der Medizin in Verbindung brachte, waren ein wichtiger Teil des Heilverfahrens.

Dem Arzt war ganz klar, dass die von ihm verschriebenen Pillen und Tränke nur sehr wenig eigene Wirkungskraft besaßen. Er musste seine Patienten daher davon überzeugen, dass er genau wusste, was er tat und fest daran glaubte, mit seinen Heilmethoden Erfolg zu haben. Der Arzt wusste, dass es vielen seiner Patienten tatsächlich besser gehen würde, wenn sie nur an eine Besserung ihres Zustandes glaubten – selbst wenn er ihnen ein einfaches, völlig wirkungsloses Gebräu verabreichte.

Das Verschreiben einer Medizin war ein wichtiges Ritual, denn auf diese Weise konnte der Patient einen Teil des Arztes mit sich nehmen. Dabei kam es darauf an, dem Patienten glauben zu machen, dass die Arznei ihm helfen würde. Der Medizinmann vergangener Zeiten hatte etwas Furchterregendes an sich, und mit den Ärzten und Chirurgen des Viktorianischen Zeitalters war es nicht anders. Alles, was sie sagten, nahmen ihre Patienten auf wie eine Offenbarung.

Heute stehen den Ärzten jedoch starke und potentiell tödliche Medikamente und Behandlungsmethoden zur Verfügung. Der mystische Nimbus von früher ist nun gefährlich. Die modernen Medikamente können Leben retten, sie sind jedoch von so starker Wirkung, dass sie – wie es ja tatsächlich oft geschieht – auch erhebliche Probleme verursachen können.

Als Arzneimittel noch wenig wirksam und harmlos waren, spielte es keine Rolle, wenn Ärzte sie beliebig an alle Patienten verteilten.

Jedoch auch heute, wo Medikamente eine so große Wirkung haben, dass sie mit Bedacht und nur wenn unbedingt erforderlich eingenommen werden sollten, leben die alten Bräuche fort und werden von der Pharmaindustrie bewusst aufrechterhalten. Gemeinhin enden vier von fünf Arztbesuchen mit der Aushändigung eines Rezeptes (obwohl viel weniger Patienten erwarten, ein Rezept ausgestellt zu bekommen und die meisten von ihnen die Praxis wahrscheinlich lieber ohne verlassen hätten).

Man kann davon ausgehen, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt sechs von zehn Menschen ein Medikament einnehmen. Kein Wunder, dass die Zahl der iatrogenen (durch ärztliche Einwirkung entstandenen) Krankheiten explosionsartig in die Höhe geschnellt ist.

Um all das zu ändern, müssen wir die Ärzte »humanisieren« – das heißt, wir müssen ihnen etwas von ihrer Macht und ihrer Autorität nehmen. Sogar selbstbewusste und starke Charaktere, die sich normalerweise vor keiner Auseinandersetzung scheuen, tun sich schwer damit, Ärzten zu widersprechen oder ihr Handeln anzuzweifeln. Das liegt daran, dass sie immer dazu angehalten wurden, Mitglieder der Ärzteschaft als etwas Besonderes anzusehen. Man tritt Ärzten eher mit Ehrfurcht als mit Respekt gegenüber, und das ist eine furchtbar ungesunde Haltung.

Autoritätssymbole abschaffen

Im Interesse der Gesundheit sollten Ärzte gezwungen werden, auf all die Autoritätssymbole zu verzichten, derer sie sich gegenwärtig erfreuen – auf den weißen Kittel, den dicken Schreibtisch vor ihrem Stuhl und vielleicht sogar auf den Doktortitel.

Man sollte auch Krankenschwestern und andere Berufstätige im Gesundheitswesen dazu ermutigen, weniger unterwürfig und statt dessen kritischer zu sein. Es ist verblüffend, wie oft gut ausgebildete Krankenschwestern absurde und gefährliche Anweisungen von unerfahrenen, unwissenden Ärzten akzeptieren.

Zuallererst müssen wir jedoch die Ärzte von der Pharmaindustrie trennen. Wie ich schon vor fast zwanzig Jahren geschrieben habe, ist es nicht leicht nachvollziehbar, wie sich eine Gruppe von Personen, die all ihre Informationen und Anweisungen von einer bestimmten Industriebranche erhält, als unabhängiger, eigener Berufsstand bezeichnen kann. Heute gibt die Mehrzahl der Ärzte zu, dass sie nie Weiterbildungskurse besuchen. Die spärlichen Informationen, die sie über neue Behandlungsmethoden erhalten, stammen also von den Konzernen, die neue Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte suchen. Wir müssen die Ärzte dazu ermutigen, die von den großen Pharmakonzernen ins Feld geführten Behauptungen kritischer zu betrachten. Die Pharmaindustrie hat sich und ihre Fähigkeiten viel zu sehr verherrlicht, sie hat Erwartungen geweckt, die nur schwer erfüllt werden können, und sie hat die Ärzte dazu angeregt, Risiken und Nutzen einer Behandlung nicht mehr gegeneinander abzuwägen.

Den Ärzten wurde eingetrichtert, zu verschreiben, zu verschreiben, und zu verschreiben. Sie müssen lernen, es auch einmal ohne Medikamente zu versuchen oder sich auch an nicht-pharmakologische Alternativen heranzuwagen.

Auch die Patienten brauchen neuen Mut, um selbst Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen sie dazu anhalten, eine kritischere Haltung Ärzten gegenüber einzunehmen, mehr Ansprüche zu stellen, mehr zu hinterfragen und selbstbewusster aufzutreten. Es ist erwiesen, dass selbstbewusstere Patienten länger leben – vielleicht liegt es einfach daran, dass sie nicht so leicht von inkompetenter Hand umzubringen sind.

Wir müssen die Patienten dazu bringen, wieder Eigenverantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen und zu lernen, Ärzte als Techniker zu betrachten: Man kann sich hilfesuchend an sie wenden, sollte ihnen jedoch ebenso kritisch gegenüberstehen wie heute dem KFZ-Mechaniker.

Den Patienten muss bewusst werden, dass kein Medikament völlig harmlos ist und dass sie die Risiken und Vorteile einer Behandlung gut gegeneinander abwägen sollten, bevor sie dieser Behandlung zustimmen.

Dieser Artikel wurde von Dr. med. Vernon Colemans neuer Abhandlung »Why Doctors Do More Harm Than God« (»Warum Ärzte mehr schaden als nützen«) entnommen, die von European Medical Journal veröffentlicht wurde.

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